Lernen ohne Grenzen: Mein Weg als Multipotentialite
Vor ein paar Jahren habe ich das Motorrad meines Großvaters geerbt. Es stand 25 Jahre lang unberührt in der Garage, und ich hatte keine Ahnung, ob es überhaupt noch funktioniert. Ich war neugierig – könnte ich herausfinden, wie man es wieder zum Leben erweckt? Ich hatte keine Erfahrung mit Motorradreparatur, nur eine Maschinenbau-Ausbildung von vor 20 Jahren – aber das hielt mich nicht auf.
Die meisten meiner Projekte beginnen mit Neugier oder einer Idee, die mich nicht mehr loslässt. Ich bin jemand, der es liebt, regelmäßig neue Themen zu entdecken, immer zwischen Interessen hin- und herzuspringen. Im Laufe der Jahre habe ich Produkte und Softwareanwendungen gebaut, 3D-gedruckte Teile entworfen, FPV-Drohnen geflogen, mit Indoor-Farming experimentiert – und vieles mehr. Aber so spannend es auch ist, Neues zu lernen, ich hatte auch oft Schwierigkeiten, fokussiert zu bleiben und wirklich Fortschritte zu machen, bevor mich die Neugier zum nächsten Thema führt.
Wenn dir das irgendwie bekannt vorkommt – jemand, der von Vielfalt lebt, sich aber manchmal über unfertige Projekte frustriert fühlt – hier sind ein paar Dinge, die ich über diese Arbeitsweise gelernt habe.
Lernen durch Machen
Ich habe festgestellt, dass der schnellste Weg, etwas zu lernen ist: einfach damit anzufangen. Tutorials sind hilfreich, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Es ist gut, mit den Grundlagen zu starten, aber das echte Lernen beginnt, wenn man auf ein Problem stößt und selbst eine Lösung finden muss.
Zum Beispiel: Als ich eine Webapplikation für einem GIS-basierten Karteneditor bauen wollte, habe ich mich nicht erst wochenlang mit Geodatenbanken beschäftigt. Ich bin einfach eingestiegen, habe gerade genug gelernt, um etwas zum Laufen zu bringen, und die Probleme gelöst, sobald sie aufkamen. Dieser praktische Ansatz hat mir viel schneller Fortschritte und Sicherheit gegeben als jede noch so lange passive Lernphase.
Die Falle, ein Experte werden zu wollen
Lange Zeit hatte ich das Gefühl, jede neue Fähigkeit meistern zu müssen – ein echter Experte zu werden. Aber ich habe erkannt, dass das nicht meiner Art zu arbeiten entspricht. Als Polymath und Multipotentialite zieht es mich eher dazu, von vielen Dingen etwas zu lernen, anstatt mich tief zu spezialisieren. Und das ist okay. Gesellschaftlich wird uns oft vermittelt, dass man sich für eine Sache entscheiden, sie meistern und dabeibleiben muss – aber ich glaube nicht, dass das der einzige Weg zum Erfolg ist.
Der Schlüssel ist, gerade genug zu lernen, um dein aktuelles Ziel zu erreichen. Als ich nach Jahren wieder mit CAD begonnen habe, wollte ich nicht sofort ein SolidWorks- oder Fusion-Profi werden. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, funktionale Designs und Produkte zu erstellen, um sie mit meinem 3D-Drucker umzusetzen. Dieser Perspektivwechsel – von „Ich muss Experte werden“ zu „Ich will einfach etwas Cooles bauen“ – hat mich motiviert, ohne mich überfordert zu fühlen.

Design einer SSD-Halterung in CAD
Kurzfristige Projekte halten das Interesse aufrecht
Eine der größten Herausforderungen als Multipotentialite ist es, Burnout oder Langeweile zu vermeiden. Ich habe festgestellt, dass Projekte mit kürzeren Zeitrahmen mich besser bei der Stange halten. Drei bis vier Monate Projektlaufzeit funktionieren gut für mich – lang genug, um sich tief genug einzuarbeiten, aber nicht so lang, dass das Interesse schwindet. Ich lerne sehr schnell neue Dinge und Themen, was mir hilft, direkt loszulegen. Natürlich gibt es Projekte, die mich über Jahre hinweg begleiten. Aber ein grober Zeitrahmen hilft mir, nicht in etwas festzustecken, das mich nicht mehr begeistert.
Fortschritt dokumentieren, um sich nicht festgefahren zu fühlen
Da ich häufig zwischen Projekten wechsle, fühlt es sich manchmal so an, als würde ich nirgendwo richtig vorankommen. Deshalb versuche ich, meine Arbeit zu dokumentieren – mal einfach mit einer To-do-Liste, mal durch Updates auf meinem Blog (so zumindest der Plan).
Etwas zum Zurückblicken zu haben, macht einen großen Unterschied. Es erinnert mich daran, wie viel ich tatsächlich gelernt habe, auch wenn ich nicht „alles fertig“ gemacht habe. Wenn ich eine klare Liste habe, was bereits erledigt ist und was die nächsten Schritte sind, fällt es auch später viel leichter, ein Projekt wiederaufzunehmen.

Bild von Jan Kahánek auf Unsplash
Verbindungen zwischen Fähigkeiten erkennen
Das Beste daran, Generalist zu sein, ist, dass jede neue Fähigkeit auf einer anderen aufbaut. Als ich mit FPV-Drohnenfliegen begann, halfen mir meine CAD- und 3D-Druck-Kenntnisse beim Design und bei Reparaturen der Teile. Als ich meinen Karteneditor baute, halfen mir meine Programmiererfahrung und mein Interesse an Kartografie, GIS-Konzepte schneller zu verstehen.
Anstatt das Gefühl zu haben, jedes Mal bei null anzufangen, suche ich gezielt nach Verbindungen zwischen dem, was ich schon weiß, und dem, was ich neu lernen möchte. Das macht den Prozess viel flüssiger. So frischt man auch alte Kenntnisse wieder auf, die lange zurückliegen – und durch Wiederholung wird daraus wieder aktives Wissen.
Wissen, wann es Zeit ist, weiterzugehen
Das war lange Zeit schwierig für mich. Früher hatte ich Schuldgefühle, wenn ich Projekte „abgebrochen“ habe – aber heute sehe ich das anders. Als Multipotentialite ist es normal, weiterzuziehen, wenn die Neugier sich verschiebt. Die Kunst ist es, zu erkennen, wann man genug aus einem Projekt mitgenommen hat, und sich nicht zu zwingen, weiterzumachen, wenn die Energie woanders ist.
Ich war jahrelang tief in der Entwicklung von Videospielen drin. Ich habe es geliebt – aber irgendwann verlagerte sich mein Interesse zu Produktdesign und Engineering. Es fühlte sich richtig an, weiterzuziehen – und ich habe es nicht bereut. Rückblickend hat mir jedes Projekt etwas beigebracht, das ich heute noch nutze. Und wer weiß – vielleicht greife ich das Thema irgendwann wieder auf und entdecke es neu.
Die Gefahr, zu viel zu investieren
Ich habe früher oft zu viel Geld zu früh in neue Interessen gesteckt, bevor ich wusste, ob diese langfristig sind. Als ich mich mit Indoor-Farming beschäftigte, kaufte ich allerlei Ausrüstung – nur um nach ein paar Monaten wieder aufzuhören. Ich baue auch heute noch manchmal Microgreens an, aber ich dafür hätte ich nicht all das Equipment gebraucht.

Meine eigenen Microgreens anbauen
Heute versuche ich, zuerst Zeit zu investieren, bevor ich Geld investiere. Ich starte mit den Mitteln, die ich bereits habe, und wenn ich nach einiger Zeit immer noch begeistert bin, denke ich über Upgrades nach. Bevor ich meine erste FPV-Drohne gekauft habe, holte ich mir nur den Controller und trainierte wochenlang im Simulator – einfach um zu sehen, ob das Interesse bleibt.
Kleine Erfolge feiern
Schließlich habe ich gelernt, auch unperfekten Fortschritt wertzuschätzen. Es ist leicht, sich auf das zu fokussieren, was man nicht geschafft hat – aber zurückzublicken auf das, was man erreicht hat, kann enorm motivierend sein.
Als ich anfing, das Motorrad meines Großvaters zu reparieren, wusste ich nicht, ob ich es je wieder zum Laufen bringen würde. Aber jeder kleine Erfolg – der Motor drehte sich oder schwierige mechanische Probleme wurden gelöst – das waren Gründe, weiterzumachen. Und schließlich, nach vielen Versuchen, habe ich es wieder auf die Straße gebracht (noch nicht ganz – mein Hausumbau hat es gerade pausiert). Das Motorrad meines Großvaters zu reparieren, hat mir gezeigt: Lernen verläuft nie linear. Es gibt Rückschläge, Umwege und Unerwartetes – aber jede Herausforderung bereitet dich auf die nächste besser vor.
Das ist die Schönheit und die Herausforderung des Lernens als Multipotentialite. Du musst nicht alles meistern. Du musst nur neugierig bleiben, klein anfangen, deine Fortschritte dokumentieren – und dranbleiben.
Ich würde gerne von anderen neugierigen Gleichgesinnten hören – welche Fähigkeit hast du kürzlich gelernt? Oder welches Projekt hast du pausiert, würdest es aber gerne wieder aufgreifen?